Mädchen bei den Pfadfindern – Zugehörigkeit, Gemeinsamkeit und Geschlecht
Dr. Bettina Suthues, Frankfurt
Tagungsband 2010, S. 101-120
Zusammenfassung:
Pfadfinderverbände und -bünde haben zumeist eine männlich geprägte Geschichte und auch in den Mitgliederstatistiken finden sich in der Regel mehr männliche als weibliche Pfadfinder. Dennoch greift der Schluss auf eine gleichbleibende Bezugnahme auf eine männlich geprägte Geschlechterordnung zu kurz, auch Mädchen sind Mitglieder und begreifen sich als Zugehörige. Gleichwohl handelt es sich nicht um einen statischen Zustand, die Geschlechtszugehörigkeit wird ebenso wie die Verbandszugehörigkeit in der Praxis immer wieder neu ausgehandelt.
Um die Wirksamkeit des Systems der Zweigeschlechtlichkeit in der Praxis der Pfadfinder/-innen weder vorauszusetzen noch zu übersehen, ist ein differenziertes Analysewerkzeug notwendig. Die Begriffe Dramatisierung, Entdramatisierung und Neutralisierung von Geschlecht ermöglichen einen solchen analytischen Blick.
Die exemplarische Analyse der pädagogischen Schriften der DPSG zeigt, dass der Verband einerseits die Verschiedenheit von Jungen und Mädchen betont und damit die Geschlechtszugehörigkeit dramatisiert. Andererseits versucht er mit dem Konzept des „partnerschaftlichen Miteinanders“ zu einer unproblematischen Praxis zu kommen, in der Geschlecht keine Rolle spielt. Auf diese Weise findet eine Neutralisierung statt.
Die Auswertung qualitativer Interviews mit Mädchen aus der DPSG zeigt, dass die Pfadfinderinnen ebenfalls in einer dramatisierten Weise auf die Geschlechterordnung Bezug nehmen. Dabei werden Mädchen und Jungen deutlich unterschieden, aber nur eine spezifische Art der Weiblichkeit wird anerkannt. Diese Deutung von Weiblichkeit versucht die angenommenen Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen zu minimieren und Geschlecht zu entdramatisieren. Dies gelingt jedoch nicht immer, da den Mädchen oftmals ein Sonderstatus zugeschrieben wird, der zu ihrer individuellen oder kollektiven Ausgrenzung führen kann.