Gemeinschaft und Traditionen als Anachronismen? Pfade finden und sich verorten jenseits der Moderne
Tagungsband 2010, S. 144-159
Zusammenfassung:
Der Vortrag geht von der Koexistenz-These aus, der zufolge Tradition und (Post-)Moderne Seite an Seite bestehen und sich gegenseitig verstärken. Aus dieser Dynamik resultiert ein Wandel der Traditionen, die nun fragmentiert und dekontextualisiert, rationalisiert und kommerzialisiert oder unverändert fortleben. Traditionen sind der Kitt für Vergemeinschaftungen und daher auch für die Pfadfinderbewegung zentral. Traditionen transportieren Werte, stehen für Stabilität und Verbindlichkeit und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Pfadfinder bilden traditional orientierte Vergemeinschaftungen, deren Gruppenkohäsion mit Hilfe von Traditionen (wieder-)belebt werden (Pfadfindergruß, Halstuch, Totemtier usw.). Sie gehen auf selbstverständliche Wiese mit rationalisierten, kommerzialisierten und dekontextualisierten „Posttraditionen“ um, adaptieren und überführen sie teilweise in „ihre“ Traditionen.
Pfadfinder heute leben kein „entweder-oder“, sondern ein „sowohl-als auch“. Ein spielerisches, kreatives und innovatives Nebeneinander von Traditionen und deren posttraditionaler Adaptionen deutet auf die notwendige Dynamik von traditional orientierten Vergemeinschaftungen. Die Pfadfinderbewegung ist darauf angewiesen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Heute zu verbinden. Mit der Fokussierung auf eigene Traditionen bewahrt sie Identität und verbindet Gegenwart und Vergangenheit; mit der Integration neuer Technologien und einem erfindungsreichen Umgang mit populärkulturellen Mustern verweist sie auf die Zukunft der mehr als 100 Jahre alten Bewegung. Damit ist das Pfadfindertum nicht am Ende, sondern hat die Zukunft fest im Blick.