»Something for the Girls« - Gender, Pädagogik und Koedukation in den deutschen Pfadfinderinnenbünden nach 1945

Dr. Susanne Rappe-Weber, Frauke Schneemann M.A., Burg Ludwigstein

Veröffentlichungstitel: Something for the Girls. Gender, Pädagogik und Koedukation in den deutschen Pfadfinderbünden nach 1945

Tagungsband 2016, Seiten 149-170

Abstract des Vortrags:

Vermittelt durch die Besatzungsmächte Großbritannien und USA nahmen die Mitglieder des Weltpfadfinderinnenverbandes WAGGGS nach 1945 starken Einfluss auf die Neugründung der Pfadfinderinnenbünde (Bund Deutscher Pfadfinderinnen (BDPw), Evangelischer Mädchenpfadfinder-Bund (EMP) mit dem Bund Christlicher Pfadfinderinnen (BCP) sowie Pfadfinderinnenschaft St. Georg (PSG)). Hinsichtlich der einheitlichen Ausbildungsordnung, der konsequenten Einhaltung der Altersstufen und der Ausrichtung an pädagogischen Zielen unterschieden sich die Pfadfinderinnen schon früh von den männlichen Bünden. Dabei orientierten sich die deutschen Gründerinnen zunächst an der geläufigen dichotomischen Geschlechterordnung, die für Frauen und Männer unterschiedliche Rollen in der Gesellschaft vorsah, auf die sich die Mädchen auch als Pfadfinderinnen vorbereiten sollten. Der in den Bünden bestehende Freiraum vermittelte den Mädchen innerhalb dieses Rahmens starke, für das weitere Leben prägende Gemeinschaftserfahrungen. Mit den in den 1960er-Jahren aufkommenden neuen Jugendkulturen differenzierten sich auch die Rollenbilder für Mädchen, was die traditionell ausgerichteten Pfadfinderinnen vor Herausforderungen stellte. Über Gender-Debatten etwa in der Leitung des BDPw, verstärkte Kontakte zu den Jungen-Bünden, die Erprobung koedukativer Formen im Gruppenleben aber auch moderne pädagogische Angebote ("Workshop") erneuerten sich die Mädchenbünde seitdem. Dagegen fand die eigentliche "Pädagogisierungs"-Debatte des männlichen BDP hier keine Entsprechung. Dass es schließlich zur Gründung der koedukativen Verbände von VCP (1973) und BdP (1976) kam, entsprach der Entwicklung in anderen westeuropäischen Ländern, insbesondere in Skandinavien, wurde aber auch durch den allgemein schwindenden Zuspruch für die Pfadfinderarbeit im Spektrum neuer jugendkultureller Angebote motiviert. Inwieweit die Praxis der koedukativen Verbände seitdem gleiche Möglichkeiten für Mädchen wie Jungen bietet, ist bis heute umstritten. Insofern verweist das Beispiel der eigenständig gebliebenen Pfadfinderinnenschaft St. Georg auf die hierin gründenden Möglichkeiten zur Parteinahme für Mädcheninteressen, die bis heute im Zusammenschluss von WAGGGS deutlicher artikuliert werden können. Im Rückblick resümieren die für die Zusammenschlüsse verantwortlichen Frauen von EMP, BCP und BDPw, dass die Traditionen und Erfahrungen der Mädchenbünde in den koedukativen Verbänden marginalisiert wurden. Eine aktive Archiv- und Erinnerungsarbeit sollte das Wissen um die Geschichte des Mädchenpfadfindens bewahren und diese in eine neue genderbewusste Geschichtsschreibung des Scouting einbringen.

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