Ergebnisse einer Studie zur Milieuspezifität des Engagements in Jugendverbänden

 

Ergebnisse einer Studie zur Milieuspezifität des Engagements in Jugendverbänden

Prof. Dr. Helmut Bremer, Essen; Mark Kleemann-Göhring, Essen

Veröffentlichungstitel: Zur Milieuspezifität des Engagements in Jugendverbänden

Tagungsband 2016, Seiten 263-281

Abstract des Vortrags:

Der Vortrag präsentiert Ziele, Anlage und zentrale Ergebnisse der vom BMBF geförderten Untersuchung „Jugendverbandsstudie – Jugendverbände als eigenständige und kompensatorische Bildungsorte“. Mit der Jugendverbandsstudie wird erstmals empirisch gestützt aufgezeigt, dass und wie Jugendverbände aufgrund ihrer Traditionen und Verbandskulturen Passungen zu je unterschiedlichen sozialen Milieus aufweisen.

Ausgangspunkt war, dass bei der Erklärung „untypischer“ Bildungsverläufe häufig auf die Bedeutung außerfamilialer Akteure hingewiesen wurde (Bourdieu/Passeron 1971, El-Mafalaani 2011). In unserem Projekt ging es nun darum, inwiefern Jugendverbände eine solche Funktion haben können, also für Jugendliche aus „bildungsbenachteiligten“ Milieus „Bildungsaufstieg“ unterstützen können. Frage ist, inwiefern durch Mitarbeit im Jugendverband ein Habitus eingeübt werden kann, der zu „Erfolg“ im formalen Bildungswesen verhilft.

Zugrunde liegende Fragen waren: Inwiefern korrespondiert die Mitarbeit in Jugendverbänden mit milieuspezifischen Interessen, Vorlieben und kulturellen Mustern? Wie beeinflusst das Engagement in Verbänden die Bildungsstrategien von Jugendlichen?

Im Teilprojekt der Universität Duisburg-Essen, auf das sich der Vortrag stützt, wurden diesen Fragen in sechs Jugendverbänden (u.a. der VCP) mittels erweiterten Gruppendiskussionen nachgegangen. Die Auswahl der Jugendverbände zielte darauf, ein möglichst breites Spektrum (weltanschaulich, thematisch und in Bezug auf die Milieuzugehörigkeit) von engagierten Jugendlichen zu repräsentieren. Eine der Untersuchungsgruppen bestand dabei aus Engagierten des VCP.

Zugrunde liegt die Annahme, dass Institutionen wie Jugendverbände zumeist von bestimmten sozialen Milieus dominiert werden, die die Verbandskultur in spezifischer Weise prägen. Der Milieubezogenheit, die auf Passungen zu den Verbandskulturen aufbaut, steht eine Milieuverengung gegenüber, da zugleich Passungen zu anderen Milieus begrenzt sind oder ganz fehlen. Dieser Mechanismus ist für verschiedene Institutionen bereits nachgewiesen worden (vgl. Flaig u.a. 1993, Bremer 1999, Vögele u.a. 2002, Vester u.a. 2007) und lässt sich auch als „Institutionen-Milieu-Verbindungen“ (Kramer/Helsper 2011) bezeichnen.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass Jugendverbände je nach milieuspezifischer Passung verschiedene Funktionen in der Lebensphase Jugend einnehmen und auch in unterschiedlicher Weise als Bildungsorte relevant werden können, in dem sie etwa Räume darstellen, in denen Jugendliche Strategien entwickeln, die eher eng auf das formale Bildungswesen bezogen sind. Sie können aber auch bewusst als „Gegenwelt“ dazu fungieren und auch solchen Zugängen zu Bildung Anerkennung verschaffen, die mit den Anforderungen des formalen Bildungswesens wenig kompatibel sind.

Im Vortrag werden zentrale Ergebnisse der Untersuchung vorgestellt und am Ende in ein „Feld des Übergangs“ eingeordnet, das wir nach Bourdieu verstehen als einen gesellschaftlichen Raum mit relativ eigenen Spielregeln und Logiken, in dem Jugendliche sich heute – u.a. durch Engagement in Jugendverbänden – zunehmend positionieren müssen.

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